„Work-Life-Balance“ – Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Von Ernst Niehof am 13.12.2019
Ich war Teilnehmer bei einem Assoziationsspiel. Der Moderator lief zur Höchstform auf und bombardierte uns mit Begriffen. Als er „Work-Life-Balance“ sagte, bin ich aufgesprungen und habe laut „Bullshit“ gerufen. Für einen Augenblick blieb ich wie versteinert stehen. Denn kurz vorher wähnte ich mich für einen Moment am Arbeitsplatz in einer Besprechung und dachte, ich hätte das beliebte gleichnamige Büro-Bingo-Spiel soeben gewonnen. Der Moderator lief rot an und rang nach Luft. Die übrigen Teilnehmer sahen mich teils verwundert, teils erwartungsvoll, an. Ich sagte: „Okay. Ich erkläre es euch. Lest dazu bitte meinen Blogbeitrag auf www.infinitas.de“.
Und hier ist er:
Mittlerweile existieren jede Menge Fachberichte, wissenschaftliche Arbeiten und Abhandlungen, die sich mit dem Thema „Work-Life-Balance“ auseinandersetzen und es soll sogar Blogs darüber geben. Das Thema kann aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Einstellungen betrachtet werden. Doch wo hört die Arbeit auf und wo fängt das Leben an?
Für einen Teil der Betroffenen ist es die Ausgeglichenheit (Balance) zwischen Arbeit oder der reinen Dauer der Arbeitszeit und dem Privatleben – der Zeit, die noch für die Familie zur Verfügung steht. Für einen anderen Teil bedeutet es das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit bzw. dem Gefühl, gebraucht zu werden oder unnütz zu sein. Wie dieses Gleichgewicht erzeugt werden soll, wird aber meistens nicht erklärt und das aus gutem Grund.
Sicherlich liegt das auch daran, dass die individuelle Auslegung und Anwendung so unterschiedlich ist, dass es kein allgemein gültiges Rezept dafür gibt. Zusätzlich wird man mit Begriffen wie Burnout (kennt man inzwischen), Boreout [??? (=Krankmachende Langeweile)], Entschleunigung, chillen (a.k.a. rumhängen) usw. konfrontiert.
Es gab Zeiten, da wurde es schon zur Manie und es klang wie eine Drohung, wenn man dieses angebliche Gleichgewicht nicht herstellen konnte. Aber allein der Begriff „Work-Life-Balance“ ist Blödsinn! Er polarisiert zwei Begriffe und suggeriert, sie wären gegensätzlich und man müsste beide Pole so gleichmäßig belasten, dass sich die virtuelle Waage auf keiner Seite neigt.

Aber egal, was man macht, der Tag hat nach wie vor nur 24 Stunden und hält sehr viele Überraschungen bereit. Es gibt zu viele Einflüsse und Ereignisse, die nicht planbar sind. Versucht man hingegen alles so zu planen, dass die Pole waagerecht bleiben, erzeugt das nur zusätzlichen und somit unnötigen Stress, der sich negativ auf die „Work-Life-Balance“ auswirkt.
In einem modernen Job gibt es immer wieder Phasen, auf die man flexibel reagieren muss. Kann ich aber nicht, da es meine „Work-Life-Balance“ durcheinanderbringt? Natürlich kann ich!
Letztendlich ist es eine persönliche Herausforderung, die Arbeitsbelastung (wenn es denn eine Belastung ist) und den damit (evtl.) verbundenen Stress, nicht zur Last für Familie, Freizeit, Sport, Hobbys oder andere Dinge, die einem persönlich wichtig sind, werden zu lassen. Flexible Arbeitszeiten, Arbeiten im Homeoffice oder eine Verkürzung der Arbeitszeit können da helfen.
Viele Arbeitnehmer denken immer noch, sie müssten ständig erreichbar sein. Angeblich erwarten das auch die meisten Chefs. Wer heute noch glaubt, er sei unverzichtbar, an dem ist die Entwicklung der letzten Jahre komplett vorbeigegangen. Unter der Last der ständigen Erreichbarkeit verbiegt sich natürlich die Grenze zwischen Arbeit und Leben.
Im Homeoffice ist die Trennung zwischen Arbeit und Leben sogar noch schwieriger. Zumindest, wenn man in einem Haushalt mit mehr als 2 Personen lebt.
Also: Arbeitszeit verkürzen? Das ist die Lösung? NEIN! Eine Studie zeigt, dass die Dauer der Arbeitszeit die „Work-Life-Balance“ kaum beeinflusst. Und gerade dort, wo weniger gearbeitet wird, gibt es die meisten Beschwerden. Um die Mitarbeiter nicht dauerhaft zu überlasten bzw. um sie zu schützen, ist die maximale Arbeitszeit in Deutschland gesetzlich geregelt. Erlaubt sind zurzeit maximal 48 Stunden pro Woche. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt aber ohnehin „nur“ bei rund 41 Stunden pro Woche. In fast allen Industrieländern liegt der Durchschnitt bei rund 40 Stunden pro Woche.
Bei einer Studie, wie oft Angestellte aus 32 Ländern über Probleme berichten, „Work“ und „Life“ in „Balance“ zu bringen, kam es zu einem überaus überraschenden Ergebnis. Die meisten Probleme beklagten Angestellte aus Ländern, die im Vergleich deutlich weniger arbeiten, als der Durchschnitt in anderen Ländern. Selbst nach Berücksichtigung von deutlich variierenden länderspezifischen Faktoren (Elternzeit etc.) änderte sich das Ergebnis nicht bzw. nicht nennenswert. Im Gegenteil, aus Ländern mit deutlich längeren Arbeitszeiten kamen viel weniger Beschwerden.
Gerade in Ländern, in denen die gesetzlich zugelassene Höchstarbeitszeit kontinuierlich gesenkt wurde, wollen die Angestellten noch weniger arbeiten. Hauptsächlich in nördlich gelegenen Ländern wie Norwegen, Dänemark und in Kanada. Einsame Spitze ist hier die Niederlande. Bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von weniger als 34 Stunden pro Woche möchte fast die Hälfte aller niederländischen Arbeitnehmer möglichst noch weniger Zeit mit Arbeit verbringen. Der Grund dafür wird in der steigenden Erwartung an eine gute „Work-Life-Balance“ vermutet.
Es ist wohl auch hier wie mit allen Dingen, an die man sich gewöhnt hat. Wer viel hat, will mehr, wer mehr hat, will alles. In diesem Beispiel ist damit natürlich noch weniger Arbeitszeit gemeint.
Verstärkt wird dieser Wunsch besonders in den Ländern mit kulturell starker Individualisierung beobachtet. In überwiegend asiatischen Ländern, in denen sehr viel Wert auf das Kollektiv gelegt wird und die durchschnittliche Arbeitszeit deutlich höher ist, gibt es signifikant weniger Beschwerden. Dort gelingt es den Arbeitnehmern scheinbar deutlich besser, Job und Familie bzw. Job und Freizeit, in Einklang zu bringen. Oder haben die einfach nur keine Zeit, sich zu beschweren?
Fakt ist, Dauerstress macht krank. Aber, viel Freizeit nährt das Verlangen nach noch mehr Freizeit.
Workaholic oder Boreout-Kandidat? Egal.
Mein Fazit:
Es ist völlig unwichtig, ob man dafür einen Begriff, eine Floskel oder gar ein fremdbestimmtes Konzept für den durchaus nötigen Ausgleich zum Arbeitsleben hat. Es ist die persönliche Wahrnehmung, die uns beeinflusst. Je mehr die Arbeit als Last empfunden wird, desto schwieriger, aber auch nötiger, ist es, einen Ausgleich zu schaffen.
Sich selbst auferlegte Regeln können helfen, das Gefühl der „Arbeitslast“ zu mindern, z. B. unangenehme Dinge nicht aufschieben, sondern sofort erledigen. Oder sich für wiederkehrende Tätigkeiten eine Routine zu schaffen. Manchmal hilft auch eine kleine Belohnung für eine überstandene Stressphase. Man kann auch im Internet „XX Tipps für eine erfolgreiche Work-Life-Balance“ lesen. Alles nur Theorie! Es muss jeder für sich selbst herausfinden, was für ihn Balance bedeutet.
Am besten ist, nicht mehr zu arbeiten. Stopp! Damit ist nicht gemeint, nicht mehr aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen, sondern beruflich nur noch Dinge zu tun, die einem Spaß machen. Das ist nicht einfach? Stimmt! Aber es ist nicht unmöglich. Es ist auch mein Ziel, in diesem Sinne nicht mehr zu arbeiten. Mein Arbeitgeber, die infinitas GmbH, unterstützt mich dabei nach Möglichkeit und lässt mir dafür sehr viel Spielraum.
Da ich aktuell aber noch arbeiten muss, hier ein paar Belohnungen, die mir helfen, einen Ausgleich zu schaffen: DN, R 1200 RT LC, FLHTI, Tama Superstar SL 62, Magnat RV3 mit MCD 1050 und Quadral Platinum M50.
Viel Spaß beim Leben.
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